Erinnerungen


,,Das Dörfel"
,,Kindheit" 
Kindheitserlebnisse
Anfang Dezember
Erster Mai
Schulerlebnisse
Der Schulweg
Mutters Erziehungsbeitrag
Kriegszeit
Schulzeit im Klagenfurt
Ein Schlüsselerlebnis
Kostplatz in Klagenfurt
Junglehrer in Kärnten
Berührung mit der Politik
Politische Zufälle
Familiengründung
Wohnungssuche
Die besonders große Enttäuschung
Hausbau einst und jetzt
Es stürzt keine Welt ein
Fettnäpfchen (neun Jahre später)
Rückblick
Meine Familie
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,,Das Dörfel"

 

Es war einmal ein kleines, liebes, besonders einladendes Dörflein, daß sogar ein anerkannter Kärntner Dichter - Hugo Moro - ein Gedicht darüber schrieb: ,,Dâs liabste Dörfl". In diesem liebenswerten Dörfl verbrachte ich meine Kindheit. Damit will ich sagen, daß ich eigentlich im ganzen Dörfl und nicht nur beim Tischler daheim war.



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,,Kindheit"

 

Meine Geburt muß damals viel Freude, aber noch mehr Aufregung gebracht haben; war das zwölfte Kind doch ein Bub! Was das bedeutet, versteht man erst richtig, wenn man weiß, daß vorher zehn Dirndln geboren wurden. Die Freude war also: der zweite Bub. Die Aufregung ist erklärlich, wenn man weiß, daß die Hebamme bei der Geburt statt Augentropfen - Jod ins Linke Auge eintröpfelte und größte Gefahr bestand, daß der Säugling erblindet, zumal auch das rechte Auge stark entzündet war. Wenn die Mutter davon erzählte, war sie immer wieder voll innerer Unruhe. Wie schon erwähnt, waren vor mir lauter Dirndln. Diese Tatsache hat bei meinem Aufwachsen bzw. meiner Erziehung eine bedeutende Rolle gespielt. Ich mußte mich als Jüngster gegen eine Übermacht von ,,Weiblichkeit" behaupten. Kurz gesagt, ich war meistens im ,,Abwehrkampf". Die Meinung der Schwestern war gegenteilig. ,,Bei mir waren die Flegeljahre besonders ausgeprägt", meinten diese. Die verständnisvolle ,,Neutralität" war die Mutter.



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Kindheitserlebnisse:

 

Einige Episoden aus dieser Zeit sollen Einblick in mein Heranwachsen geben. Vater au1~passen! Da mein Vater nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt war und stark behindert, durfte er nicht allein auf die Tenne gehen - Gefahr wegen der vielen Absturzmöglichkeiten. Ich mußte die Mutter alarmieren, wenn sich der Vater in Gefahr begab.

Was bist denn du? Wir hatten einen Zuchteber‘ daher kamen viele mit ihren Sauen zu uns. Knapp vor Schulbeginn kam die Familie Urleb mit einer Sau zu uns; ein gleichaltriger Bub war auch mitgekommen. Da wir bei der ,,Eberarbeit" nicht zuschauen durften, schickte man uns beide zum Spielen. Während des Spielens fragte Franz mich überraschend: ,,Was bist denn du?" ,,Ein Bub natürlich!" ,,Du hast ja einen Kittel an!" Bei zehn älteren Schwestern waren natürlich genügend Kittel zum Nachtragen vorhanden.



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Anfang Dezember:

 

Diese Zeit war für mich kecken Buben eine echte Bußzeit. Bei jeder ,,Schlimmheit" erinnerten mich die älteren Geschwister und die Dorfleute daran, daß bald der Krampus kommen wird und dann ....!

Zu allem Überfluß war unser Abort nicht im Haus, sondern im Stadl. Das ,,Plumpsklo" war auf der anderen Seite des Hofes. Um diese Zeit wird es bekanntlich schon sehr früh finster und die Klobenützung war mit viel Angst verbunden, weil echte ,,Kinderfreunde" bei Anbruch der Dunkelheit mit Ketten rasselten und Kuhglocken läuteten. Unter solchen Umständen allein aufs Klo zu gehen, war schon eine Mutprobe. Aus dieser ,,Angstzeit" gibt es eine unvergeßliche, freudige Überraschung.

Weil meine älteren Schwestern recht knusprige Mädchen waren. kamen auch auswärtige Krampusse - aus St. Magdalen - zu uns. Sie fuhren mit dem Boot vom Schwinger über die Drau und ,,beglückten" die Agatherdirndln. Bei uns in der großen Küche trieben sie es besonders wild. Ich habe bei meiner Mutter sicheren Schutz gehabt und sah mit Wohlgefallen wie meine großen Schwestern behandelt wurden. Die Wildheit der Krampusse, die mit ihren Masken nur schlecht sehen konnten. führte dazu, daß ein Krampus die große Schüssel mit dem brennheißen Fackelfutter umwarf, und sich dabei furchtbar verbrannte. Voll Schmerz laut weinend riß er sich die Maske vom Kopf. Ein heulender Krampus, bei dem ich vorher noch die Birkenrute abbusseln mußte, war ein unvergeßlich schöner Anblick.

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Erster Mai:

 

Dieser Tag war für mich in mehrfacher Hinsicht bedeutungsvoll und mit Freude verbunden. Am 1. Mai wurden die Rindviecher nach winterlanger Stallzeit in die Auen getrieben. Die freigelassenen Kühe sprangen voll Übermut durch die Viehzeile zu den Auen. Dieses wilde, übermütige Toben war nicht die alleinige Freude. Ani Abend beim Heimtreiben gab es beim Gatter, wo die Rinder warteten. sehr spannende Rangordnungszweikämpfe. Verhaltungsforscher haben später das beschrieben. was ich schon als Kind mit Genuß beobachtete. Wenn eine Kuh von uns die erste in der ,,Hackordnung" war, erfüllte mich dies mit besonderem Stolz.

Am 1. Mai durften wir Kinder erstmals bloßfüßig laufen und später sogar bloßfüßig zur Schule gehen.

 

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Schulerlebnisse:

 

Obwohl alle meine Geschwister älter waren als ich, wußte ich von der Schule nicht allzuviel. Die Vorbereitung seitens der Mutter war kurz und einfach: ,,Brav sein, schön folgen und aufpassen, was der Lehrer sagt! Brav sein kann ein jeder Togger."

Daß diese Vorbereitung eigentlich zu wenig war, soll ein Erlebnis veranschaulichen. Als ich einmal in der Schule die große Not verrichten mußte, war ich in einer unangenehmen Situation. Im Spülklo, das ich in der Schule das erste Mal sah, blieb nach meiner Verrichtung ein Häuflein liegen. Als ,,vifes" Kind war mir klar, daß dies nicht so sein soll. Ich schlich mich heimlich davon. Zuhause fragte ich, was da nicht richtig ist. Ich wurde aufgeklärt. Mir wurde gesagt: ,,Du mußt beim herabhängenden Strick ziehen."

Bei der nächsten Benützung tat ich dieses. Aber auch da passierte etwas Schreckliches; ich machte meiner Meinung nach etwas kaputt, denn es kam soviel Wasser, obwohl das Häuflein schon längst weg war. Wann ich erfuhr, daß der große Behälter ausrinnen muß, weiß ich nicht mehr.

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Der Schulweg:

 

Der Schulweg von St. Agathen nach Villach war etwas Besonderes.

Im Winter, wenn besonders viel Neuschnee gefallen war, wurde ein Pferd eingespannt und wir Kinder wurden zugleich mit der Milch in die Stadt geführt. Solche Notfälle waren äußerst selten. denn der Schnellpflug sorgte für begehbare Wegverhältnisse.

Die Schattengebilde, die der Schneewulst am Wegrand bei tiefem Sonnenstand hervorzauberte, waren für mich besonders beachtenswert, weil ich genau schaute, welchem Berg das Schattenbild glich. Dieses genaue Studium erforderte viel Zeit und mußte von mehreren Seiten betrachtet werden. Die Naturbeobachtung war natürlich mit Selbstgesprächen verbunden. Eine Frau, die mein sonderbares Verhalten beobachtete, fragte meine Mutter voller Mitleid: ,,Ist‘s Biable nicht ganz beinand im Kopf?" Als ich meiner Mutter erklärte, was mich so oft stehen bleiben ließ, war sie sichtlich erleichtert. Im Sommer war der Schulweg entlang der Drau besonders reizvoll, weil die Fischbeobachtung und das Wissen um ihre Standplätze ein gut gehütetes Geheimnis war. Im Herbst waren die Rübenäcker am Heimweg einen Besuch wert, auch wenn die Erwachsenen warnten: ,,Wenn du zu viel Ruaben ißt, werst ins Bett sachen." Als Erstenklassler kam ich gewöhnlich mit den älteren Geschwistern zugleich heim. Diese hatten es meist eiliger als ich.



 

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Mutters Erziehungsbeitrag:

 

In den ersten Schulwochen - wie es eben die Zeit erlaubte - ging meine Mutter zum Lehrer und sagte etwa sinngemäß: ,,Bitte schaun‘s, daß aus dem Biablan etwas wird, weil ich bin eine Bäuerin mit vielen Kindern und einem kranken Mann und habe daher wenig Zeit, die Schulangelegenheiten zu beaufsichtigen."

Diese vertrauensvolle Bitte fiel bei allen meinen Lehrern auf sehr fruchtbaren Boden. Heute kann ich sagen. daß alle wirklich schauten. daß ich schulisch gesehen trotz fehlender Mithilfe des Elternhauses gut mitgekommen bin.

Obwohl ich unter sehr bescheidenen Verhältnissen aufwuchs, bin ich mir nie arm vorgekommen. auch in der Schule nicht.



 

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Kriegszeit:

 

Als im Sept. 1939 der Krieg ausbrach, sagte die Mutter: ,,Krieg - so ein kleines Wort und so viel Bedeutung." Als Zehnjähriger habe ich den Sinn dieser Worte nicht voll verstanden. Aber allmählich wurde mir einiges klar.

Ein Beispiel, das mir als Kind zeigte, was der Krieg alles verändert. Wir hatten zwei Pferde; beim Kriegsausbruch mußte eines davon einrücken. Ab diesem Zeitpunkt war es aus mit dem doppelspannigen Einsatz beim Umbauen. Es wurde ein Ochs zum Pferd dazugespannt und wir Buben mußten Pferd und Ochs durch die Furchen führen und beim Umdrehen schauen. daß wieder alles glatt weiter ging. Es war eine echte Plage und nicht selten kam es vor, daß der Ochs auf die Füße stieg.

Zu dieser Zeit kam ein junger Pole - Bomislav - zu uns als Knecht. Er wurde von der Mutter liebevoll behandelt, weil er so willig und jung war und sehr unter dem Heimweh litt. Es gibt so viele Kriegserinnerungen, daß ich sie in diesem Zusammenhang nicht erzählen kann.



 

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Schulzeit im Klagenfurt:

 

Nach dem Ausleselager in St. Andrä am Ossiachersee trat ich im Herbst 1944 in die LBA Klagenfurt ein. Wir wurden ganz im Sinne des Nationalsozialismus erzogen. Ein Beispiel:

Unser Geschichtsprofessor Beran sagte in einer Stunde wörtlich: ,,Jungens, ein Kind ohne Mann!" Er machte bei dieser Gelegenheit die ,,unbefleckte Empfängnis Marias" lächerlich und wies recht abfällig auf den jüdisch-christlichen Glauben hin.

Ich fühlte in mir einen inneren Widerspruch, weil meine Mutter doch so fromm war und täglich betete und mir vor dem Schlafengehen ein Kreuz auf die Stirne machte. Einmal in der Woche - mittwochs - mußten wir in HJ-Uniform in der Bisniarkschule erscheinen. Bei diesem Appell mußten wir exerzieren und wurden auch richtiggehend militärisch geschliffen.

 

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Ein Schlüsselerlebnis:

 

Es war wieder der Mittwoch-Appell. Wir Villacher Zugfahrer baten. etwas früher aufhören zu dürfen. damit wir mit dem 1/2 5er Zug heimfahren könnten. Wir Zugfahrer mußten vortreten und der HJ-Führer sagte zu uns: ,,Ich werde sehen. ob ihr würdig genug seid, früher weggehen zu dürfen." Danach wurden wir so geschliffen. daß uns schon die Zunge heraushing. Schließlich schaute er auf die Uhr und sagte schadenfroh: ,,Wenn ihr stramme Hitlerjungen seid, erreicht ihr noch den Zug. In acht Minuten fährt er am Südbahnhof ab. Durch das viele - Laufen - Hinlegen - Marsch! Marsch!- Hinlegen - waren wir so ermüdet, daß wir am Südbahnhof angekommen, nur noch sahen. wie der Zug davon fuhr. Hungrig mußten wir mehrere Stunden auf den nächsten Zug warten. Erst bei Nacht heimgekommen, erklärte ich meiner Mutter voll Zorn und Empörung, daß ich nicht mehr weiter in die LBA gehen wolle. ,,Ich lerne lieber einen handwerklichen Beruf als noch einmal solch sinnlose, sadistische Sekkatur mitzumachen." Mit sehr viel mütterlicher Überredungskunst brachte sie mich doch so weit, daß ich weiter die LBA besuchte.



 

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Kostplatz in Klagenfurt:

 

Nach Kriegsende wurde ich verständigt, daß ich wieder die LBA besuchen darf und zwar den ersten Jahrgang.

Weil die Verkehrsverhältnisse nach dem Krieg so elendiglich waren. mußte ich einen Kostplatz in Klagenfurt suchen. Bei Verwandten in Klagenfurt/Annabichl (Herwig und Ursula Zauchenberger) wurde ich aufgenommen. Folgende Bedingungen mußte ich erfüllen: Jedes Wochenende nach Hause fahren und am Montag 2 Liter Milch und einen Laib Brot mitbringen. Dafür durfte ich mit einem Zweiten - Ernst Utschitz - in einem Mansardenzimmer mit Zugang durch das Schlafzimmer der Alten wohnen. Nachdem mir einmal die Milchflasche in der Schultasche zerbrach und ich bei den Zauchenbergers noch zusammengeschimpft wurde, übersiedelte ich trotz Mehrkosten in das Schülerheim in der Kaufmanngasse. Die Heimerlebnisse waren so vielfältig und eindrucksvoll, daß ich diese lieber ein anderes Mal erzähle.



 

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Junglehrer in Kärnten:

 

Weil ich nicht sofort eine Anstellung im öffentlichen Schuldienst bekam, aber endlich selbst verdientes Geld haben wollte, nahm ich das Angebot als katholischer Religionslehrer an. Ich unterrichtete in mehreren Volksschulen Villachs die oberen Klassen in Religion. In den unteren Klassen unterrichteten Klosterschwestern aus Wernberg.

Nach diesem ,,frommen Start" in den Schuldienst unterrichtete ich an den Volksschulen: St. Margarethen i. R.‘ Ferlach, Arnoldstein‘ Gödersdorf und Afritz. Das auffallendste meiner Volkschullehrerzeit war, daß ich immer die Oberstufenklassen mit sehr vielen Kindern und Abteilungsunterricht zugeteilt bekam. Die Lehrerkolleginnen. waren immer der Meinung:

Mann - jung - energisch; der kommt mit den Großen leichter zurecht als wir Frauen. Heute weiß ich, daß sich diese Kolleginnen vor der Mehrarbeit gedrückt haben.

 

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Berührung mit der Politik

Die vielen Versetzungen während meiner Volksschullehrertätigkeit machten mir nicht allzuviel aus. Ich war jung, unabhängig und schätzte die Abwechslung. Als ich das erste Mal Ortswünsche hatte, war meine liebe Hermi schuld. Ich war stark verliebt und wollte mit Hermi zusammen sem.

Eine Tante von mir war auch Lehrerin - Chambrez. Sie erfuhr von meinen Ortswünschen (HS Landskron). Sie sagte zu mir: ,,Geh zum Hauptschuldirektor Hans Wagner, sag einen schönen Gruß von mir und ich schicke dich; er wird dir gewiß helfen." Wie geraten ,so getan. Herr Wagner erfüllte mir meinem Schulortswunsch. Als ich mich nach Monaten für die Erfüllung meines Wunsches persönlich bedankte, meinte er kollegial: ,,Herr Kollege, Sie sind ja innerlich schon längst einer der Unsrigen, wollen Sie nicht dem ÖLB beitreten?‘ Eigentlich hatte er Recht und dankbar wollte ich auch sein, also trat ich bei.



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Politische Zufälle:



Bei einer Bezirksversammlung des ÖLB-Villach fragte mich Herr Wagner - er war inzwischen BSI von Villach geworden -:,,Wären Sie so nett, sich als Stellvertreter des Personalvertreters VD Romauch aufstellen zu lassen? Das Statut sieht vor, daß für jede Funktion ein Stellvertreter vorzusehen ist."

Auf meine eher abweisende Aussage: ,,Ich will mich nicht politisch betätigen", sagte er beruhigend: ,,Das ist ja nur eine Papierfunktion, Sie brauchen nichts zu tun, die Arbeit macht sowieso VD Romauch." Unter diesen Umständen war ich bereit, mich auf die Liste schreiben zu lassen. Wie es das Schicksal wollte, erkrankte der Obmann (Fritz Platzer), sein Stellvertreter (Franz Köstenberger) verunglückte und VD Romauch starb unerwartet an Krebs. In dieser Notsituation des ÖLB-Villach kam wieder Herr Wagner zu mir und sagte:

,,Herr Zauchenberger, Sie sind der Stellvertreter von Herr Romauch, bitte übernehmen Sie die Personalvertretung!" Auf meinen Hinweis, daß ich nur einer ,,Papierfunktion" zugestimmt hatte, sagte er entwaffnend: ,,In einer solchen Notsituation werden Sie uns doch nicht im Stich lassen? Ich werde Ihnen wirklich hilfreich zur Seite stehen." Ich willigte schließlich ein, mit dem einschränkenden Hinweis: nur bis zu nächsten ÖLB-Bezirksversammmlung. Was daraus geworden ist, wissen ohnehin alle.



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Familiengründung:



Die Liebe zwischen Hermi und mir hatte sich so entwickelt, daß wir heiraten wollten.

Das Gespräch: Ich hatte schon mehrmals mit Hermis Vater geredet, insbesondere damals, als ich ihm beim Kelleraushub in St. Ulrich geholfen hatte. Zur damaligen Zeit, 1955, war es Brauch. daß der Bräutigam beim Vater der Braut um deren Hand anhielt.

Hermi und ich hatten schon alles für die Hochzeitsgestaltung besprochen. Nur ein wichtiger Punkt war noch zu erledigen. Hermi sorgte für eine günstige Gelegenheit zu einem Gespräch mit Vater. An einem Nachmittag war es soweit. ,,So, redest mit dem Vater!" meinte Hermi mit Nachdruck. ,,Er sitzt allein im Wohnzimmer."

Ich fragte voll innerer Hemmungen: ,,Darf ich ein bißchen zu Ihnen hereinkommen?‘ Vater sagte : ,,Natürlich, komm nur herein." Er ahnte sehr wohl, warum ich so fl3rmlich um Eintrittserlaubnis bat. Eine Zeit lang plauderten wir über belanglose Dinge. Hermi schaute schon zweimal bei der Tür herein und deutete, ob ich ihn schon gefragt habe. Endlich war es soweit. Ich sagte: ,,Hermi und ich wollen heiraten, haben Sie etwas dagegen?‘ ,,Eigentlich nicht, aber wo wollt ihr denn wohnen?‘ Ich erzählte ihm von unseren Plänen und er war einverstanden.



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Wohnungssuche:



Als Ledigem stand mir im Vaterhaus St. Agathen das Wohnrecht zu. Ich teilte das Zimmer im Dachgeschoß mit Schwester Trude. Da ich auf gar keinen Fall warten wollte, daß Bruder Fritz zu mir sagen konnte: ,,Du bist verheiratet, du hast ab jetzt kein Wohnrecht mehr in diesem Haus‘ sorgte ich vor."

Ich bat Schwager Sime und Schwester Resi ob ich nicht im freien Zimmer neben der Speis vorübergehend wohnen könnte. ,,Natürlich, wenn es gut genug ist, könnt ihr in dieser kalten Bude wohnen." Noch am Hochzeitstag übersiedelte ich mit meinen Habseligkeiten zum Neubauer. Obwohl es wirklich eine sehr kalte Notunterkunft war, war es für uns Flitterwöchner eine unvergeßlich schöne Zeit.



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Die besonders große Enttäuschung:



Es war schon unser erstes Kind auf der Welt und das zweite Kind war unterwegs und wir hatten noch immer keine Wohnung, da zeigte sich ein Hoffnungsschimmer. Im Lehrerhaus neben der Volksschule St. Magdalen wurden zwei Wohnungen frei (Smoley-, Pflegerlwohnung). Ich sprach voll Zuversicht beim Bürgermeister und Lehrerkollegen VD Melcher vor und schilderte ihm meine Notsituation. Er zeigte viel Verständnis und Anteilnahme. Er verabschiedete mich mit den Worten: ,,Ich werde schauen Herr Kollege, was ich für Sie tun kann." Voll Zuversicht erzählte ich Hermi und Vater, daß ich glaube. daß es diesmal gut ausgehen wird; zumal es Lehrerwohnungen - also Dienstwohnungen waren und der Bürgermeister so viel Einsicht gezeigt hatte.

Nach einigen Tagen fragte ich III) Rudolf Neudecker, ob er nicht wisse, wann die Wohnungsausschußsitzung stattfindet, weil ich wahrscheinlich eine Wohnung im Lehrerhaus bekommen werde. Die Antwort Neudeckers war niederschmetternd: ,,Die Ausschußsitzung hat schon stattgefunden und die zwei Wohnungen sind bereits vergeben." Bürgermeister Melcher hat bei dieser Sitzung angeblich gesagt: ,,Ich kann diese Wohnungen nicht den Zauchenbergers geben, die bringe ich nicht mehr hinaus und ich habe doch 140 wohnungssuchende Genossen." Meine Enttäuschung war deshalb so groß, weil Melcher mir gegenüber so wohlwollend und kollegial getan hatte. Diese Falschheit hat mich besonders hart getroffen. Ich wollte diesen Fall mit der Vergabe von Lehrerwohnungen an Nichtlehrer der Presse mitteilen.

Die beiden Überredungskünstler - Hermi und Vater - hielten mich zurück. Vater zeigte auch einen Ausweg auf: ,,Wir werden mit allem Nachdruck die Wohnung im Dachgeschoß fertigstellen." Dies taten wir schließlich auch; wobei Schwester Rosi mit einem geliehenen Geldbetrag ausgeholfen hat.



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Hausbau einst und jetzt:



Als Günter und Barbara ihr Haus bauten, hatte ich die Möglichkeit zum Vergleich zwischen unserer Bauweise (vor 45 Jahren) und jetzt.

Wir hatten keine Geräte zum Kelleraushub‘ keine Mischmaschine, keinen Wasseranschluß, keinen Fertigputz  Wir mußten an allen Ecken und Enden sparen; bevor ein Brett oder gar ein Pfosten abgeschnitten wurde. suchten wir nach anderen Möglichkeiten. Besonders beschwerlich war der Kelleraushub, weil wir den Keller praktisch zweimal ausgehoben hatten. Der Grund war einfach der, weil in einer bestimmten Tiefe so schöner Schotter war, wollten wir ihn zum Betonieren verwenden. Auch hatten wir damals noch keine Radltruhen mit Gummirädern. Da es noch keine Wasserleitung in St. Ulrich gab, mußten wir allabendlich ein Jauchenfaß mit Wasser vom Zuchenbachl anfüllen. Es war eine echte Plage, aber wir konnten ein gutes Jahr vor den Schwiegereltern in unsere Wohnung einziehen. Wir lebten mit unseren Kindern in sehr bescheidenen Verhältnissen - ein Lehrergehalt - aber wir waren glücklich.



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Es stürzt keine Welt ein:



Als ich 1983 einen Herzinfarkt erlitt, war ich das erste Mal nach meiner Geburt in einem Krankenhaus. Der Aufenthalt in der Intensivstation und der Umgang der Schwestern mit mir war für mich vollkommen neu. Das Waschenlassen von fremden, jungen Frauen war mir furchtbar peinlich; ich war ja so entsetzlich gschamig. Vor diesem Krankenhausaufenthalt nahm ich alle Sitzungstermine und Einladungen - von Partei, ÖLB, ÖGB, Elternvereinen sehr ernst. Ich bildete mir ein, wenn ich da nicht dabei bin, geht es nicht. Nach einigen Wochen Krankenhausaufenthalt mußte ich die schmerzhafte Feststellung machen, daß es auch ohne mich weitergeht und keine Welt einstürzt. Ein sehr bedeutender Mann - Papst Johannes der 23.- hat zu sich gesagt: ,,Johannes, nimm dich nicht so wichtig!"

Der Herzinfarkt war ein Schuß vor den Bug, er hat mir gezeigt, wie ich ab dieser Zeit mein Leben zu gestalten habe und was im Leben von großer Bedeutung ist.



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Fettnäpfchen (neun Jahre später):



Nach längerer Wartezeit und gründlicher Vorbereitung war es endlich soweit, daß ich zur Bypassoperation im LKH-Wels drankam. Genau um 12 Uhr mittags schob mich ein Pfleger mit dem Krankenbett zum OP. Auf dem Weg dorthin dachte ich sehr intensiv an Gott. Ich machte gedanklich einen Vertrag mit ihm: Sollte ich diese Herzoperation gut überstehen, so soll es für ihn auch recht nützlich sein. Ich nahm mir fest vor, wenn alles gut vorüber ist, für eine christliche Lebensweise in meinem Verwandten- bzw. Bekanntenkreis zu sorgen. Diesen löblichen Vorsatz hab ich nach geglückter Operation in die Tat umzusetzen. Es gab in meinen unmittelbaren Lebenskreis einige ,,schlampige Verhältnisse".

Beim ersten Versuch eine wilde Lebensgemeinschaft in eine christliche Ehe überzuleiten, erhielt ich eine entsetzliche Abfuhr: ,,Lieber Onkel, unsre Lebensweise geht dich wirklich nichts an. Ich mische mich auch nicht in deine Familienverhältnisse. Bitte laß uns in Ruhe!" Nach zwei ähnlich gelagerten Fehlversuchen meinte Hermi: ,,Willst du dich überall unbeliebt machen, und wie oft willst du noch in solche Fettnäpfchen treten?‘

Zu meiner Entschuldigung möchte ich sagen, ich habe es wirklich nie schlecht gemeint. Ich wollte lediglich meinen guten Vorsatz - fast ein Gelübde - einlösen.

Ob ich nach diesem Verweis meiner lieben Hermi endgültig aufgegeben habe, weiß ich nicht. Manchmal wurde ich wieder rückfällig. Aber ich wollte und will meinen guten Vorsatz verwirklichen.



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Rückblick:



,,Eins, zwei, drei im Sauseschritt, läuft die Zeit, wir laufen mit!" Beim Anblick der Einladungskarten wurde ich echt nachdenklich und besinnlich.

Beim Nachdenken fielen mir so viele Sachen ein, daß ich mir vornahm, einen sehr kleinen Teil meiner Erlebnisse schriftlich festzuhalten.

In erster Linie für meine Kinder und besonders für meine Enkelkinder, weil diese wissen sehr vieles von uns Alten nicht. Wir sind in einer so raschlebigen Zeit aufgewachsen, daß Kindheitserinnerungen heute fast wie Sagen klingen. Wir haben sehr vieles mitgemacht, trotzdem haben wir uns nie unterkriegen lassen und blicken voll Zuversicht in die Zukunft.



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Meine Familie:



Ich muß es voll Stolz und Zufriedenheit sagen, daß ich mit den Kindern, Schwiegerkindern, und Enkelkindern zufrieden und glücklich bin. Wenn wir die Gesellschaft von heute betrachten und feststellen müssen, daß Werte und Tugenden aus meiner Jugendzeit nicht mehr gefragt sind, sondern als lebensfremd und fortschrittshemmend gelten - also wirklich nicht in sind - so stimmt mich dies traurig.

Wie schön sind für mich noch immer die Begriffe wie: Liebe - Treue - Anständigkeit -Hilfsbereitschaft - Vertrauenswürdigkeit - Verläßlichkeit und Zufriedenheit im Gegensatz zu:

Macht - Fortschritt - Einfluß - Modernität - Geschäftstüchtigkeit - Reichtum - Besitz. Damit ich nicht falsch verstanden werde, ich schätze auch diese Gegensätzlichkeiten aber es muß ein gesundes Verhältnis angestrebt werden. Kurz gesagt, der liebenswerte, verläßliche Mensch muß immer vorherrschen.

Zum Schluß möchte ich noch einen Wunsch aussprechen: ,,Geliebte Kinder und Enkelkinder! Bleibt wie ihr seid, eine Familiengemeinschaft die einander mag, zusammenhält und christliche Tugenden hochhält. Vergeßt nie, der Mensch denkt und Gott lenkt! - Er stehe euch immer bei!"